Zwei Jahre sind vergangen, seitdem wir den Deutschen Verkehrswendepreis das erste Mal vergeben haben. Wir haben bei einigen der fünf Preisträger nachgefragt, wie es den Projekten seitdem ergangen ist. Für unsere Neuauflage in diesem Jahr können auch Sie Ihr Projekt noch einreichen. Alle Informationen finden Sie hier.
Die On-Demand-Lösung ioki Hamburg ist in das Tarifsystem des Hamburger Verkehrsverbunds integriert und überbrückt die erste und letzte Meile. Die Shuttles (zumeist emissionsfreie Elektrofahrzeuge) lassen sich unkompliziert per App buchen und bringen die Fahrgäste bedarfsgerecht, für einen Aufpreis von 1,- € pro Fahrt und Person zum regulären HVV-Tarif, auf flexiblen Routen an ihr Ziel.
Wir haben mit Dr. Lorenz Kasch (Geschäftsführer vhh.mobility), Raimund Brodehl (Geschäftsführer hvv) und Michael Barillère-Scholz (Geschäftsführer und Co-Gründer ioki GmbH) über das Projekt ioki gesprochen, das wir 2022 mit dem Deutschen Verkehrswendepreis ausgezeichnet haben.
Was hat sich in den letzten zwei Jahren nach Ihrer Auszeichnung mit dem Deutschen Verkehrswendepreis getan?
Dr. Lorenz Kasch: „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir hvv hop als erstes On Demand Mobilitätsangebot im suburbanen Raum in Deutschland und im Schulterschluss mit ioki so positiv entwickeln konnten. Stand heute haben wir bediengebietsübergreifend seit dem Start über 1,3 Mio. Fahrgäste befördert. Der Zuspruch der Menschen in den heute insgesamt vier Bediengebieten in der Metropolregion Hamburg freut uns sehr und bestätigt uns: On Demand-Verkehre als zeitgemäßer Bestandteil des ÖPNV funktionieren! Das zeigen auch die Ergebnisse der Technischen Universität Hamburg (TUHH), die unsere Arbeit weiterhin wissenschaftlich begleitet. Mittlerweile handelt es sich für uns um ein eigenes Geschäftsfeld mit über 100 Mitarbeitenden. Doch wir ruhen uns nicht aus: Im Projekt ahoi möchten wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern die Flotte aus manuell betriebenen Shuttles um autonome Fahrzeuge ergänzen und deren zuverlässigen Betrieb entwickeln und erproben. Stetige Innovation ist und bleibt also Bestandteil der DNA im Projekt hvv hop.“
Raimund Brodehl: „On-Demand-Lösungen eignen sich als moderne Antwort des ÖPNV auf eine sich individualisierende Verkehrswelt für die unterschiedlichsten Räume. So stehen vor allem die Räume und Zeiten schwächerer Verkehrsnachfrage, also primär der ländliche und suburbane Raum hierzu im Blick. Aber auch als hochwertige Ergänzung in Ballungsräumen werden Anwendungen dieser Art praktiziert und sich vom Grundsatz her denkbar. Um dies konzeptionell aufzulösen, wird der HVV in diesem Jahr eine verbundweite On-Demand-Strategie entwickeln, die zum Ziel hat, unterschiedlichste Lösungen auf dem Sektor der modernen bedarfsorientieren Betriebsformen im Kontext mit den verkehrspolitischen Vorstellungen vor Ort zu beschreiben, auch unter Berücksichtigung perspektivisch sich abzeichnender Automatisierung des Betriebs.“
Michael Barillère-Scholz: „Es hat sich einiges getan: ioki Hamburg fährt seit Ende 2022 unter dem Namen hvv hop und ist mittlerweile in Harburg, dem Kreis Segeberg und im Kreis Stormarn verfügbar. Zwei Jahre nach der Preisverleihung ist der flexible Bedarfsverkehr aus dem ÖPNV-Angebot nicht mehr wegzudenken. In Harburg war bereits nach einem halben Jahr die geplante Auslastung der Passagier pro Stunde erreicht – ein voller Erfolg! Das Projekt erhält weiterhin großen Zuspruch von den Einwohnerinnen und Einwohnern in der Gegend und wir freuen uns, Teil dieser Historie zu sein.“
Gab es eine Resonanz von Ihrer Kundschaft oder aus der Branche auf die Auszeichnung?
Dr. Lorenz Kasch: „Zunächst einmal ist der Deutsche Verkehrswendepreis eine tolle Bestätigung für uns als Unternehmen und für unsere Mitarbeitenden, denn er drückt Wertschätzung und Anerkennung für die harte und engagierte Arbeit der letzten Jahre aus. Darüber hinaus hat er die Reputation und Bekanntheit weiter gesteigert, was gerade für ein innovatives Förderprojekt in der Anfangsphase, in der wir uns damals befunden haben, gar nicht überschätzt werden kann.“
Michael Barillère-Scholz: „Die Auszeichnung hat dazu beigetragen, dass das Thema On-Demand-Verkehr in der Region Hamburg und darüber hinaus nochmal an Sichtbarkeit gewonnen hat. Andere Verkehrsunternehmen, die einen On-Demand-Verkehr planen, schauen immer wieder Richtung Hamburg und nutzen die dort gewonnenen Erkenntnisse für den Aufbau eigener flexibler und digitaler Angebote. hvv hop leistet damit weiterhin Pionierarbeit und zeigt, was im Bereich On-Demand-Verkehr möglich ist.”
Gibt es aus Ihrer Sicht neue Entwicklungen, die notwendig sind, um das System erfolgreich weiterzuentwickeln und vermarkten zu können?
Dr. Lorenz Kasch: „Vor dem Hintergrund der Mobilitätswende kommen wir um zwei Punkte nicht herum: Eine Ausweitung des ÖPNV-Angebots steht vor den großen Herausforderungen Fachkräftemangel und wirtschaftlicher Betrieb. Hier müssen zum einen Lösungen für Finanzierungslücken durch die öffentliche Hand gefunden werden. Zudem werden wir um autonome Fahrzeuge – und das betrifft neben Bus und Bahn auch On Demand Shuttles – in der mittel- bis langfristigen Perspektive nicht herumkommen. Bis wir einen sicheren und reibungslosen Betrieb Level 4 auf Deutschlands Straßen sehen, muss noch einiges an Pionierarbeit geleistet werden.“
Gibt es aktuell ein Verkehrsprojekt, das Sie selbst mit dem Deutschen Verkehrswendepreis auszeichnen würden?
Dr. Lorenz Kasch: „Das Projekt „Stärkung des Öffentlichen Verkehrs. Kreisübergreifende Angebotsoffensive zum Ausbau und zur Schaffung eines metropolitanen Stadt-Land-Taktes“ – kurz ÖVer.KAnT kommt mir hier direkt in den Sinn. In einem diesem Modellprojekt stärken die Kreise Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Herzogtum Lauenburg die Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsträger untereinander und über die Kreis- und Landesgrenzen hinaus. vhh.mobility ist mit dem Aufbau und dem Betrieb vollständig neuer Stadtverkehre zur Erschließung des Stadtgebietes der Städte Bargteheide und Schwarzenbek bzw. der Gemeinde Henstedt-Ulzburg beteiligt. Alle drei genannten Stadtverkehre werden ausschließlich mit lokal emissionsfreuen E-Kleinbussen betrieben. Damit gibt es nun auch für Kleinstädte emissionsfreie Mobilität mit neuem Angebot und dem passenden Fahrzeugkonzept. Die Menschen in der Region profitieren von den E-Bussen durch weniger Lärm, bessere Luft, durch weniger Emissionen und eine geringere Feinstaubbelastung.“
Michael Barillère-Scholz: „Vor kurzem wurde das umfangreiche SMILE24-Projekt von unserem Partner NAH.SH vorgestellt, bei dem der ÖPNV in ländlichen Regionen neu und ganzheitlich betrachtet wird – vom Bike-Sharing über On-Demand bis hin zum Bus-Expressverkehr. Ein spannender und zukunftsweisender Ansatz für einen integrierten ÖPNV und eine erfolgreiche Verkehrswende.“