Wer? | Mitteldeutscher Verkehrsverbund (MDV) |
Was? | Das PlusBus-Konzept wurde 2013 vom Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) eingeführt. Über 40 PlusBus-Linien sorgen heute mit direkten Verläufen, kurzen Taktzeiten und einer guten Anbindung an wichtige Verknüpfungspunkte für optimale Verbindungen und Anschlüsse. Der Erfolg des PlusBus-Konzepts lässt sich nicht nur an einer Steigerung der Fahrgastzahlen (teilweise über 50 %) ablesen, sondern auch an der Übernahme des Konzepts durch andere Verkehrsverbünde (z.B. in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein). |
Seit wann? | Einführung 2013 |
Beitrag zur Verkehrswende | Verkehrsverlagerung vom Auto auf den öffentlichen Verkehr, Integration von Verknüpfungspunkten (i.d.R. Bahnhöfe), Vorbild für andere Verkehrsverbünde |
Weitere Informationen | https://www.plusbus-deutschland.de/ |
Können Sie das Projekt in kurzen Worten beschreiben?
Der PlusBus ist eine Busmarke, die ein Qualitätsversprechen an den Fahrgast, insbesondere im ländlichen Raum gibt:
Was hat Sie Hr. Lehmann bzw. ihren Verkehrsverbund dazu motiviert, dieses Projekt „PlusBus“ zu entwickeln?
Da gab es vor etwa 10 Jahren drei zentrale Impulse:
Zunächst gab es die immer wiederkehrende Ansicht aus Gesprächen mit den Stadtverwaltungen und den Menschen im MDV-Gebiet, wonach die Busse in den Landkreisen alle nur für Schulfahrten unterwegs seien. Außer uns Fachleuten wussten nur wenige Einwohner, dass der Bus eben nicht nur die Schulen bedient, sondern auch andere Ziele ansteuert! Man muss jedoch auch sagen, dass wir den ÖPNV vor 10 Jahren auch öfters am eigentlichen lokalen Bedarf vorbei und den örtlichen Gegebenheiten nicht angemessen organisierten.
Dann gab es die einmalige Chance, im Rahmen der Inbetriebnahme des neuen Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes unsere Region noch „feingliedriger“ zu erschließen und die Wirkung des SPNV auch dorthin zu tragen, wo keine Schiene liegt – nämlich mit dem Bus in die Landkreise im Vor- oder Nachlauf zum Zug!
Mit Blick auf die demografische Entwicklung vor 10 Jahren, wollten wir mit einem attraktiven ÖPNV-Angebot auch einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in ihrer Region eine Zukunft sehen und in den gerade sanierten Städten und Ortschaften der Landkreise bleiben, anstatt in die Oberzentren umziehen zu müssen.
Also haben wir uns mit einem Team von Verkehrsplanern, Marketingexperten und mit Unterstützung von Dritten auf den Weg gemacht, die Vielzahl der damals über 400 unterschiedlich gestalteten Buslinien innerhalb des MDV zu strukturieren. Im Ergebnis haben wir die Marken PlusBus, TaktBus und StadtBus inhaltlich definiert und dafür ein passendes Markenbild entwickelt.
Parallel dazu haben wir begonnen, die Busnetze im MDV-Gebiet neu zu planen: die Bedienstrecken, die Anzahl der Haltestellen sowie die Knotenpunkte für das Umsteigen in andere ÖPNV/SPNV-Linien wurden an ganz vielen Stellen neu konzipiert. Hier gilt unser großer Dank Hr. Prof. Heiner Monheim, der uns mit seinen Kollegen und ganz viel Leidenschaft fachliches „Know-how“ vermittelt hat.
Welchen Beitrag leistet Ihr Projekt zur Verkehrswende?
Die Etablierung von aktuell 44 PlusBus-Linien sowie weiteren 18 TaktBus-Linien hat das Nahverkehrsangebot im MDV-Gebiet qualitativ deutlich zum Besseren verändert!
Außerdem hat die Diskussion über die Notwendigkeit neuer Busnetze und besserer Qualität bei den zuständigen Aufgabenträgern, den Verkehrsunternehmen, bei uns im MDV-Gebiet und vor allem bei den politischen Mandatsträgern auf der lokalen- und der Landesebene einen „verrückten Blick“ auf den ÖPNV erreicht, im Sinne von infrastruktureller Notwendigkeit, Lebensqualität und positiver Wirkung auf Raumentwicklung sowie Wirtschaft.
Bei manchen lokalen Busnetzen im MDV-Gebiet sind wir noch nicht so weit gekommen, wie unsere Ideen und Vorschläge es vorsahen. Aber gemeinsam mit den Landkreisen und den Verkehrsunternehmen haben wir an vielen Stellen im MDV tatsächlich in Größenordnungen Neuerungen umgesetzt. Das gelang auch, weil wir zusammen mit unseren MDV-Gesellschaftern (Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern) ganz viele Prozesse für die Implementierung von neuen ÖV-Angeboten beschleunigten. Hier sammelten wir reichlich Erfahrung, Veränderungsprozesse erfolgreich durchzuführen: ob mit den Verkehrsunternehmen, den Landkreisen, den Genehmigungsbehörden oder mit den Ländern.
Konkret bedeutet dies:
Innerhalb von wenigen Monaten wurden beispielsweise 85 neue Haltestellen im Landkreis Leipzig geschaffen. Dafür haben veränderungsbereite Bürgermeister sogar PKW-Parkplätze im innerstädtischen Bereich aufgegeben.
Der Freistaat Sachsen finanziert seit 2019 zusätzliche Busleistungen mit 1,80 €/km, wenn diese die Kriterien des Plus- oder TaktBusses erfüllen. Das Land Sachsen-Anhalt finanziert landesbedeutsame Linien mit, die unter das Qualitätsdach von Plus- und TaktBus fallen.
Das Busunternehmen Regionalbus Leipzig GmbH hat für den erfolgreichen Ausbau der Busleistung das Personal um 32% erhöht, ebenso den Bestand an Fahrzeugen (+16%) und Infrastruktur (erweiterter Betriebshof).
Bürgermeister, Ärzte, Wirtschaftreibende, Berufsschulen und Politiker kommen heute auf die Landkreise als Aufgabenträger oder die Busunternehmen und den MDV zu, mit dem Wunsch, das System weiter vor Ort auszubauen.
Im Landkreis Leipzig konnten wir beispielsweise sehr konkret nachweisen, dass seit der Einführung der neuen Bussysteme und der neuen Netze die Anzahl der Fahrgäste nicht mehr sank, sondern um 20% anstieg (zunächst bis zum Beginn der Pandemie).
Unser Branchenverband VDV hat das Plus- und TaktBus-System unterstützt, so dass heute die Marke in 6 weiteren Bundesländern unter einheitlichen Qualitätskriterien angeboten wird. Der MDV als Lizenzgeber achtet sorgfältig darauf, dass diese Qualitätskriterien auch umgesetzt werden.
Meiner Meinung nach ist dies insgesamt eine sehenswerte Bilanz – insbesondere für die Nahverkehrsbranche, welcher es gelegentlich aus verschiedenen Gründen schwerer fällt, Veränderungsprozesse mit entsprechender Geschwindigkeit zu realisieren.
Was wünschen Sie sich, damit die Verkehrswende insgesamt noch schneller vorankommt?
Die Bundespolitik muss das Zielbild der Verkehrswende und die für sie wesentlichen Instrumente klar benennen. Unser Branchenverband hat dazu ein hervorragendes Zielbild ausgearbeitet, das kann und sollte die Bundespolitik sehr gern aufgreifen.
Die Landespolitik muss verwaltungsärmer und klarer in ihrer Zielerwartung die zur Verfügung gestellten Bundesmittel ausreichen. Und sie muss den Mut haben, sich dabei auf die wesentlichen erfolgversprechenden Themen zu konzentrieren.
Die Kommunalpolitik muss die Kraft haben, gemeinsam mit den Nahverkehrsunternehmen vor Ort Veränderungen – auch gegen den Widerstand kleinerer Skeptikergruppen – schneller umzusetzen.
Die Nahverkehrsbranche muss deutlich schneller und innovativer agieren. Wir müssen uns für die Umsetzung qualitative und quantitative Zwischenziele setzen, diese kritisch prüfen und gleichzeitig mutig angehen. Lasst uns in der Branche einige „Königreiche“ auflösen und dafür mit gemeinsamen Standards die Wiedererkennung, die Einfachheit des Zugangs und die Synergien für das Ziel einer gelungenen Verkehrswende angehen.
Der Bürger Steffen Lehmann wünscht sich, dass wir dem Nahverkehr sowie dem Rad, dem Fußgänger und den alternativen Share-Dienstleistern deutlich mehr öffentliche Finanzmittel und lokalen Raum geben, um die bisher oftmals erforderliche Notwendigkeit des eigenen Autos vor der Haustür bald auflösen zu können.
Mitteldeutscher Verkehrsverbund
Herr Ron Böhme,
Fachbereichsleiter Verkehrsplanung
ron.boehme@mdv.de