Menschen steigen dann gerne auf ihr Fahrrad als Zubringer zur Schiene um, wenn es vernünftige Radwege gibt. Und so entwickelte die Kommune in Wunstorf nahe Hannover für ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger sowie die der umliegenden Gemeinden einen Anreiz, um künftig mit dem Rad statt mit dem Auto zum dortigen S- und Regionalbahnhof zu kommen.
Die Idee für die Leuchtturmtrasse Wunstorf war geboren: einen komfortablen Radweg, der Steinhude und Luthe mit Wunstorf verbindet. Auf der Radvorrangroute können Pendlerinnen und Pendler künftig mit 20-25 km/h zum Bahnhof Wunstorf rauschen. Die Radverbindung wurde extra so angelegt, dass sie etwa 80 Prozent der Bevölkerung praktisch direkt vor ihrer Haustür abholt und dazu einlädt, sich aufs Rad zu schwingen. Die Radtrasse befindet sich gerade noch im Bau. Zu ihr gehören auch Abstellplätze, Lademöglichkeiten für E-Bikes, Schließfächer sowie Reparatur-Stationen.
Wer? | Stadt Wunstorf |
Was? | Durch den Bau der Radvorrangroute mit Abstellplätzen, Lademöglichkeiten und Reparaturstationen können Pendlerinnen und Pendler unkompliziert und komfortabel mit dem Fahrrad zum Bahnhof und zurück pendeln. |
Seit wann? | April 2022 |
Beitrag zur Verkehrswende | Durch extrabreite Radwege und Angebote wie Schließfächer, Reparaturstationen schafft die Kommune attraktive Anreize, um das Verlagerungspotenzial auf umweltfreundliche Verkehrsmittel im ländlichen Raum zu erschließen. |
Weitere Informationen | https://www.wunstorf.de/bauen-wohnen/mobilitaet/radverkehr/ |
Worum geht es in Ihrem Projekt?
Die Stadt Wunstorf möchte den Menschen in Wunstorf ein attraktives Mobilitätsangebot bieten, dabei soll der Radverkehrsanteil gesteigert und die intermodalen Wegeketten attraktiver gestaltet werden.
Ziel des Projektes ist es, mit einem gebündeltem Maßnahmenpaket 80% den Wunstorfer Bürgerinnen und Bürgern eine sehr gute Radinfrastruktur anzubieten und damit das Alltagsradeln deutlich zu unterstützen.
Im Kern geht es um eine 12,5 Kilometer lange Radroute (Radvorrangroute), die die Ortschaften Steinhude, Großenheidorn, Klein-Heidorn mit der Kernstadt und dem Bahnhof verbindet und in östliche Richtung weiter in Richtung der Ortschaft Luthe verläuft.
Neben der Kernstadt ist der Bahnhof in Wunstorf der zentrale Baustein. Er hat eine herausragende Bedeutung für die Mobilitätswende. Der Bahnhof in Wunstorf liegt im Knotenpunkt Hannover / Bielefeld / Bremen. 13.000 Ein- und Aussteiger nutzen den Bahnhof täglich.
Im Rahmen des Radverkehrskonzeptes, welches mit großer Bürgerbeteiligung erstellt worden ist, wurde diese Route mit besonderer Bedeutung für den Radverkehr als „Leuchtturmtrasse“ herausgearbeitet.
Die Trasse soll im Ausbaustandard als Radvorrangroute ausgebaut werden. Ziel ist es, einen hohen Qualitätsstandard auf dieser Trasse zu erreichen. Damit verbunden ist auch die Bevorrechtigung gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (MIV), wenn dies möglich ist. Die Trasse verläuft zu großen Teilen abseits der klassifizierten Straßen, was die Möglichkeit eröffnet hat, die erforderlichen Standards (Breite 4,0 Meter, durchgehende Bevorrechtigung) zu erreichen. Der Ausbau der Route wird uns in den kommenden Jahren weiter beschäftigen – aber die Stadt konnte in den vergangenen 3 Jahren bereits viel umsetzen. Zur Erhöhung der Sicherheit außerhalb der Ortsdurchfahrten wurde eine mitlaufende Beleuchtung an der freien Strecke realisiert. Darüber hinaus konnte der Bau einer Radwegbrücke über die zukünftige Umgehungsstraße (Bundesstraße) umgesetzt werden. Es wurden Abstellanlagen und Servicepunkte umgesetzt, mit der Landwirtschaft in den Dialog getreten und Markierungen für mehr Rücksichtnahme umgesetzt. Für die Anbindung der Ortschaft Luthe wurden intensive Abstimmungen für die Umsetzung einer Fahrradstraße vorangetrieben und am Dreh- und Angelpunkt, dem Bahnhof konnte der vollautomatische Fahrradturm und diverse B+R-Anlagen in Betrieb genommen werden.
Welchen Beitrag leistet Ihr Projekt zur Verkehrswende?
Mit dem Projekt möchte die Stadt Wunstorf ihren Bürgerinnen und Bürgern eine echte Alternative zum motorisierten Individualverkehr anbieten. Die angestrebten Fahrzeiten mit dem Fahrrad (Endpunkt / Bahnhof) sind nach vollständiger Realisierung mit denen des MIV vergleichbar.
Durch den stringenten Ausbau zur Radvorrangroute wird neben einer Beschleunigung auch an der Verkehrssicherheit, dem Komfort und Service für Radfahrende gearbeitet.
Die intermodalen Wegeketten innerhalb des Umweltverbundes werden gestärkt. Damit wirkt sich das Projekt positiv auf die Themenfelder Klimaschutz, Luftqualität und Immissionen aus.
Aufgrund der positiven Rahmenbedingungen (Fokussierung auf eine Vorrangroute) ist es auch gelungen, eine große Erreichbarkeit (Nutzen) bei gleichzeitig optimierten Aufwendungen (Kosten) zu generieren. Damit stellt das Projekt eine Abkehr des oft verwendeten Gießkannenprinzips dar, was die Handlungsspielräume bei kleiner werdenden finanziellen Spielräumen verbessert.
Das Projekt kann auch eine Anregung für andere Kommunen sein, sich auf wesentliche Bausteine mit hohem Kosten / Nutzen Faktor zu fokussieren.
Was hat Sie bzw. Ihr Unternehmen motiviert, dieses Projekt zu entwickeln?
Die Verkehrswende findet vor Ort in den Kommunen statt. Die Stadt Wunstorf möchte mit diesem Projekt einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende leisten und die Stadt noch lebenswerter machen.
Als Stadt Wunstorf können wir das nur in Zusammenarbeit vieler Akteure vor Ort, aber auch in Kooperationen mit externen Akteuren wie z.B. Verkehrsdienstleistern und Straßenbaulastträgern schaffen. Wir arbeiten gemeinsam an der Förderung des Radverkehrs und an einer Attraktivitätssteigerung.
Alleine schafft man keine Verkehrswende.
Hat sich seit der Auszeichnung etwas bei Ihnen verändert? Erhalten Sie z.B. mehr Aufmerksamkeit, Aufträge oder Nachfragen?
Die Verkehrswende kann nur gelingen, wenn alle Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden. Es gibt aktuell noch viele Vorbehalte in der Bevölkerung. Nicht alle verbinden mit dem Thema „Verkehrswende“ ausschließlich positive Erwartungen. Am Ende muss das Produkt überzeugen. Nur wer eigene positive Erfahrung macht, wird am Ende das Auto stehen lassen. Daher muss die Qualität der Radverkehrsinfrastruktur deutlich verbessert werden. Es ist aber auch noch viel Überzeugungsarbeit erforderlich. Persönlich freut es mich aber immer besonders, wenn mir Umsteiger vor Ort dann ihre positiven Erfahrungen mitteilen und mich in der Zielrichtung der Verkehrswende stärken.
Die Auszeichnung hat dazu beigetragen, das Thema weiter zu befördern. Menschen für das Thema zu gewinnen. Es ist aber auch für alle, die an diesem Thema arbeiten, eine Anerkennung, die zeigt, dass die Stadt Wunstorf auf dem richtigen Weg ist.
Was wünschen Sie sich, damit die Verkehrswende insgesamt noch schneller vorankommt?
Damit die Verkehrswende eine echte Chance hat eine Erfolgsgeschichte zu werden, sind verschiedene Faktoren von großer Bedeutung.
Zusammenarbeit:
Die Verkehrswende, insbesondere auf kommunaler Ebene, liegt nicht alleine in der Hand der Kommunen. Es gibt zahlreiche Akteure, die bei der Realisierung Mitverantwortung tragen. Verkehrswende ist eine Querschnittsaufgabe – man kann dazu in viele Fachrichtungen schauen. So ist das Straßennetz auf verschiedene Straßenbaulastträger aufgeteilt. Die Zusammenarbeit und die Prioritätensetzung müssen zusammenpassen. Wenn dies nicht gegeben ist, können sinnvolle Maßnahmen nicht umgesetzt und finanzielle Möglichkeiten nicht genutzt werden.
Planverfahren:
Planverfahren sind in fast allen Tätigkeitsbereichen der Kommunen zu Bürokratiemonstern ausgeartet, deren Abarbeitung unglaubliche Ressourcen verschlingen und in der zeitlichen Dimensionierung oft Jahre benötigen.
Dabei gibt es nur wenige Ausnahmen für kleine Maßnahmen, so dass der Aufwand bei kleineren, aber sehr sinnvollen Maßnahmen bisweilen nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Förderungen:
Auch wenn durchaus Geld für Maßnahmen zur Verfügung steht, ist es oft sehr aufwendig und auch zeitintensiv, Fördergelder zu bekommen. Auch hier beträgt der Vorlauf mitunter anderthalb bis zwei Jahre.
Wenn wir etwas bewegen wollen, dann muss eine Entbürokratisierung auf den verschiedenen Ebenen stattfinden. Kommunen müssen Handlungsspielräume zurückbekommen.