Zwei Zugbegleiter und zwei Lokführer gewinnen den Titel „Eisenbahner mit Herz 2015“. Die Jury hatte auch in diesem Jahr die Qual der Wahl: Sie kürte die Sieger aus einer Galerie von rund 30 Titel-Kandidaten, die aus fast allen Teilen Deutschlands stammen.
Ernst Dast (62) hat in seinem Leben schon einige Stürme überstanden. Mitten im Daimler-Stammland arbeitete der gelernte Automechaniker in einem Autosalon in Filderstadt und fühlte sich unwohl. Als er hörte, dass Bürgerinitiaven auf der Strecke Böblingen – Dettenhausen die stillgelegte Schönbuchbahn wiederbeleben wollten, sattelte der gebürtige Schwabe um und wurde Lokführer. Seine Entscheidung hat er nie bereut. Heute sind die Chefs der Schönbuchbahn auf ihren Ernst besonders stolz. Schließlich schrieb Stammkunde Josef Nickel bis zum denkwürdigen Sturmeinsatz regelmäßig gefürchtete Briefe mit zahllosen Verbesserungsvorschlägen. So ein Lob zählt natürlich doppelt und dreifach.
Störungen im Betriebsablauf“, diese Durchsage kennen Bahnfahrer so gut, dass sie den Text schon im Schlaf mitsingen können. Und während so ein Reisender dann ohnmächtig im Zug sitzt und wartet, dass es endlich weitergeht, wird nicht selten ein Wunschtraum wach: Was, wenn das Zugpersonal die Sache selbst in die Hand nähme und den Zug wieder flott machte? Der Lokführer Ernst Dast hat diesen Traum wahr werden lassen. Und er hat dabei auch noch umsichtig alle Sicherheitsvorschriften eingehalten, die im komplizierten System Eisenbahn natürlich immer zu beachten sind. Er hat der Betriebsleitung Bescheid gesagt, die Fahrgäste zur Ruhe ermahnt, hat seinen Blaumann angezogen und die verkanteten Äste vom Gleis geräumt. Mit solchen Lokführern will man im Sturm unterwegs sein. Kein Wunder, dass der Einsender begeistert war. Wir sind es auch.“
„Überragender persönlicher Einsatz des Zugführers auf der Fahrt mit der Schönbuchbahn (WEG) von Böblingen nach Dettenhausen am stürmischen Abend 21.10.14. Zwischen den Haltestellen Böblingen Süd und Heusteigstraße stieß der Regioshuttle mit herabstürzenden Ästen zusammen. Es gab eine Notbremsung, bei der zwar niemand verletzt wurde, allerdings das Fahrzeug beschädigt wurde und zunächst nicht weiterfahren konnte. Sofort machte sich der Fahrer an die Aufräumarbeiten. Nach etwa 45 Minuten konnte die Bahn ihre Fahrt fortsetzen und alle Fahrgäste kamen wohlbehalten zu Hause an. Für diesen tollen Einsatz verdient der Fahrer höchstes Lob.“
Josef Nickel (Weil im Schönbuch)
Bevor Kornelia Scherer (55) vor 15 Jahren den Quereinstieg bei der Deutschen Bahn wagte, war sie Hausfrau, Mutter und jobbte gelegentlich als Gastronomin. Doch die Personaler der Bahn-Tochter Mitropa erkannten seinerzeit das Talent der Frau aus dem niedersächsischen Stade. „Eine gute Bistro-Stewardess ist eine Entertainerin: Wenn es stressig wird, rockt Kornelia das Zugrestaurant“, sagt ihr Gruppenleiter. Kornelia Scherer formuliert es nüchterner: „Nach fast 15 Jahren in der Zuggastronomie gibt’s bei mir keinen Stress mehr. Ich habe zwei Hände, und die wissen, was sie zu tun haben.
Eine erstklassige Gastronomie während der Zugreise gehört in Zeiten, in denen Mobilität oft nur nach dem kleinsten Preis bewertet wird, zur gehobenen Reisekultur. Hier hat die Eisenbahn vor ihren Konkurrenten, Auto und Fernbus, ganz klare Systemvorteile. Erst recht, wenn Gastronomen wie Kornelia Scherer an Bord sind, und ein waches Auge auf die Fahrgäste haben. Ohne dass die Reisenden die Bistro-Stewardess erst um Hilfe bitten mussten, erkannte sie die Notlage. Silber für Kornelia Scherer, die beim Service am Platz erstklassig unterwegs ist. Für so ein Muster an Fürsorglichkeit gibt es zu Recht Lob aus dem Ausland.
Die Nominierung von Kornelia Scherer erreichte die Jury indirekt: Das Ehepaar Gill aus Großbritannien war von seiner Reise mit der Deutschen Bahn so begeistert, dass es seine Lobeshymne direkt an Frau Scherers Vorgesetzen schickte:
Axel Schäfer (48) ist ein typischer Lokführer: Der Mann steht nicht gern im Rampenlicht. Und wenn man ihn im Scherz fragt, ob es vielleicht der Blick seiner strahlend blauen Augen war, der die Kundin in Ohnmacht fallen ließ, schaut er regelrecht unglücklich drein. Trotzdem freut ihn der Titelgewinn. Schließlich fährt er seit 25 Jahren für die Deutsche Bahn und kennt das Frankfurter S-Bahn-Netz wie seine Westentasche. Wie er es denn geschafft hat, die gerettete Brille so liebevoll zu verpacken, dass seine Einsenderin noch heute gerührt ist? „Da hat meine Frau geholfen.“ Immer ehrlich. Und bloß nicht zu viel Scheinwerferlicht.
Gerade im S-Bahn-Bereich von Großstädten werden Kunden oft zur anonymen Masse. Bahnmitarbeiter, die täglich Tausende von Pendlern abfertigen müssen, verlieren schnell den Blick für den Einzelfall. Nicht so Axel Schäfer. Sein Einsatz zeigt eine ganz persönliche Note, die bei der Kundin auch so angekommen ist. Spätestens als sie das liebevoll verpackte Paket auswickelte, das die Überreste ihrer Brille enthielt. Solch herzliche Anteilnahme macht aus Kunden dankbare Fahrgäste. Bronze für den S-Bahner, der sich seine Menschlichkeit in der Alltagshektik bewahrt hat.
Am 20.5.2014 kam ich mit dem ICE von Köln in Frankfurt Süd an. Ich musste weiter mit der S 5 nach Friedrichsdorf-Seulberg. Aus mir unerklärlichen Gründen bin ich mit dem Kopf gegen die S-Bahn gefallen, wobei erst das linke Glas aus meiner Brille auf das Gleis flog und danach der Rest der Brille. Da ich nicht alleine aufstehen konnte, rief ich um Hilfe. Der nette S-Bahn-Fahrer, Herr Axel Schäfer aus Schwalbach, und eine junge Dame halfen mir auf. Herr Schäfer fragte mich nach meiner Adresse und meiner Telefon-Nummer, da er nach seiner Rückfahrt nach Süd meine Brille aus dem Gleisbett holen wollte. Ich saß hinter ihm in der ersten Klasse, und nach zwei Stationen kam er ins Abteil, um sich zu erkundigen, ob es mir gut ginge.
Nach ein paar Tagen erhielt ich die Teile meiner Brille liebevoll verpackt per Post. Als ich mich bei ihm bedankte, meinte er, das wäre doch selbstverständlich, er wäre so erzogen und seine Töchter würden auch so erzogen. Als ich meinen Bekannten von dieser Hilfsbereitschaft erzählte, waren alle ganz begeistert.“ Elke Pauly (Friedrichsdorf)
Zugbegleiter, Stellwerker, Fahrdienstleiter: in der DDR hat Herbert Kusche (58) alle Stationen der Eisenbahnerkarriere durchlaufen. Als nach dem Mauerfall seine Strecke abgebaut wurde, packte er die Koffer und zog nach Konstanz an den Bodensee. Gefremdelt hat Kusche keinen Augenblick: Die Kollegen auf der Schwarzwaldbahn nahmen ihn mit offenen Armen auf und die Fahrgäste lieben den Zugbegleiter mit dem trockenen Humor: Kein anderer Eisenbahner wurde von den Reisenden so oft nominiert wie der Star der Schwarzwaldbahn.
Viele Bahnkunden, die unseren Aufruf lesen, schreiben uns, dass sie die ganz große Geschichte nicht beisteuern können, aber etwas kennen, das in ihren Augen genauso viel wert ist: Die gleichbleibend herausragende Leistung eines bestimmten Mitarbeiters. Zum Jubiläum unseres Wettbewerbs haben wir dafür den richtigen Preisträger gefunden: Herbert Kusche von der Schwarzwaldbahn hat mehr Kundenbriefe bekommen, als jeder andere nominierte Zugbegleiter. Kein Jahr, in dem er nicht in der Galerie der Nominierten vertreten gewesen wäre. Wenn ein Mitarbeiter über so viele Jahre seine tägliche Arbeit mit so viel Können, Herzblut und Humor verrichtet wie Herbert Kusche, dann ist das ein Eisenbahner der Sonderklasse, der für alle Kollegen ein Vorbild sein sollte.
2011 nominierte Dagmar Brand Herbert Kusche, weil er einen verzweifelten Fahrgast, der aus Versehen die Notbremse gezogen hatte, sehr sensibel tröstete.
2012 beschreibt Roswitha Uibel, wie Kusche auf der Fahrt so freundlich über die Sehenswürdigkeiten der Strecke informiert, dass der Damenclub weiter fährt als eigentlich geplant. Thilo Knöller beobachtet, wie mufflige Teenager die Füße vom Sitz nehmen, wenn Kusche erscheint. Monika Grom-Rocke gefällt, dass Kusche den gesamten Fahrplan im Kopf hat und Sandra Dogruer berichtet, noch keiner habe Kusche jemals schlecht gelaunt auf dem Zug erlebt.
2013 lobt Cornelius Berkmann den besonderen Charme, mit dem Kusche die Tickets einer Fahrradgruppe kontrolliert.Thomas Kalkkuhl erzählt, dass Herbert Kusche sogar Glatzen mit Springerstiefeln zur Räson bringt. Dieter Guthörlschildert im Wortlaut die berühmten Ansagen: „Heute ist es wieder kuschlig warm und eng auf unserer Fahrt.“
2014 freut sich auch Andreas Lange an der Ansage über die Kuschelzüge, während Katharina Schwanen resümiert: „Schön, dass es ihn gibt.“ Maria Wirtensohn betont, dass Kusche auch ein Meister der Früh- und Spätschicht ist.
2015 greift Daniel Rungenhagen zum Stift: Mit seinem Humor und seinen Scherzen bringt Herbert Kusche den ganzen Zug zum Lachen. Sein Engagement, sein Stolz auf die Schaffnermütze, sein ganzes Auftreten machen die Bahnfahrt zum Erlebnis. Der Einsender ist sicher: Dieser Mann soll den Titel Eisenbahner mit Herz gewinnen