Goldsieger Christoph Angstl riskiert sein Leben, um Kundin zu retten

Als Elektroniker wartet und repariert Christoph Angstl im Alltag Züge für die Bayerische Oberlandbahn GmbH. Mit Fahrgästen kommen Techniker wie der 32-jährige Vater zweier kleiner Kinder kaum in Kontakt. Ganz selten nur haben sie daher die Chance, beim Eisenbahner mit Herz zu gewinnen. Denn hier geht es um die KollegInnen, die sich über das normale Maß hinaus um ihre Kunden verdient gemacht haben. Das aber trifft auf den diesjährigen Bundessieger ganz besonders zu.

Lieber Herr Angstl, den 12. Dezember 2019 werden Sie sicher nie vergessen. Es ist der Tag, an dem Sie zum Lebensretter und Helden wurden. Was ist passiert?

Angstl: In der Tat kann ich mich an den Tag noch erinnern, als sei es gestern gewesen. Wir hatten Betriebsversammlung in Rosenheim. Als die fertig war, bin ich zum Bahnhof gelaufen. Als ich ankam, hatte ich bis zur Abfahrt des Zuges noch eine halbe Stunde Zeit. Also bin ich auf dem Bahnhof ein bisschen hin und her gelaufen, um mir die Zeit zu vertreiben. Dann stand ich auf Gleis 1. Auf einmal habe ich im Augenwinkel eine Person gesehen, die ins Gleis gestürzt ist.

Was haben Sie gedacht?

Angstl: Was kann ich jetzt machen? Das kann nicht sein. Ein Schockmoment. Da ging der Puls richtig hoch. Es war dunkel. Ich konnte die Person kaum sehen, die auf Gleis 2 lag.

Aber Sie mussten schnell handeln – schließlich konnte jeden Moment ein Zug einfahren.

Angstl: Richtig. Am Bahnsteig habe ich schnell nach einer Notrufsäule gesucht, in der Hektik aber keine gefunden. Dann rief ich laut: „Achtung! Person im Gleis!“. Zum Glück meldete sich auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig ein Mann, der Florian. Für uns war klar, dass wir schnell handeln mussten. Also sind wir beide auf die Gleise gesprungen, haben die Frau gepackt und auf Gleis 1 herübergezogen. Dann kam auch schon der Zug aus Richtung Salzburg. Die Lichter konnten wir schon sehen. Der Lokführer des Zuges setzte schon ein Signalhorn ab.

Wie konnten Sie sich in Sicherheit bringen?

Angstl: Erst einmal möchte ich mich bei Florian bedanken. Allein und ohne ihn hätte ich es nicht geschafft. Wir konnten uns in letzter Minute noch aufs andere Gleis retten, auf das wir ja auch die Frau gezogen hatten.

Hatten sie keine Angst?

Angstl: Viel nachgedacht habe ich nicht. In der Situation wollte ich einfach nur helfen. Es war mir ja klar, dass es hier um Leben oder Tod geht. Ich wollte wenigstens versuchen, die Frau zu retten.

Wie hat der Lokführer reagiert?

Angstl: Der Lokführer hat uns gesehen und sofort eine Notbremsung eingeleitet. Aber bis ein so langer Zug stehen bleibt, dauert es eben.

Jetzt sind Sie nicht nur ein Held, sondern auch Eisenbahner mit Herz. Was bedeutet die Ehrung für Sie?

Angstl: Für mich zählt, dass es der Frau wieder gut geht. Das ist das Wichtigste.

Aber über die Auszeichnung freuen Sie sich schon?

Angstl: Selbstverständlich. Zunächst war ich überrascht, dass ich überhaupt nominiert wurde. Nie hätte ich damit gerechnet, dass mich die Jury zum Bundessieger wählen würde. Das ist eine tolle Sache. Vor allem finde ich es schön, dass auch wir Techniker einen solchen Preis gewinnen können. Das Werkstattpersonal hat es verdient, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen.

Bundespolizeidirektion München: Frau stürzt ins Gleis – Retter setzen ihr eigenes Leben aufs Spiel

Pressemitteilung der Polizei vom 13. Dezember 2019 (Auszug):

Am Bahnhof in Rosenheim haben zwei Männer unter Inkaufnahme einer erheblichen Selbstgefährdung einer 51-Jährigen das Leben gerettet. (….) Der herannahende Fernzug hatte schon einen Achtungspifff abgegeben. Unter Gefährdung ihres eigenen Lebens sprangen die 32 und 41 Jahre alten Männer ins Gleis und zogen die verletzte Frau unvermittelt aufs Nachbargleis. Aus Sicherheitsgründen stoppte die Bahn sofort den Zugverkehr für diese Gleise. Die verständigten Beamten der Landes- und Bundespolizei leisteten Erste Hilfe und versorgten die Verletzte gemeinsam mit den Rettungskräften. Die Münchnerin hatte vom Sturz eine stark blutende Wunde davongetragen und musste in eine Klinik eingeliefert werden.“

Würdigung der Eisenbahner mit Herz-Jury:

„Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Jahr mit Christoph Angstl einen Eisenbahner auszeichnen können, der gewöhnlich nicht in direktem Kundenkontakt steht. Die Goldmedaille hat sich Christoph Angstl wahrlich verdient – mit einer echten Heldentat.“